Wieder einmal … die Liebe

Liebe ist ein Thema, das mich seit langer Zeit fasziniert. (Interessanter Weise vermutlich so lange wie das Thema Tod.) Das Thema ist vermutlich zu groß und komplex die Gedanken und Gefühle, die in mir ohne Wortboote wabern, um sie nun mit einer Hand in Wortkleidung zu tippen, während die andere Hand das Kind stillend an die Brust hält. Aber wer weiß, wann ein Zeitpunkt kommt, der so frei ist von Zwängen, dass ich einen Text in der Qualität formuliert bekäme, der meinen Fähigkeiten entspräche. Vielleicht passt es auch so, denn das Thema „Liebe“ bekommt mit den Kindern eine neue Facette, besonders mit einem Neugeborenen.

Vielleicht ist diese Liebe die reinste. Nicht im Sinne von: man liebt dieses Kind mehr als jeden anderen Menschen auf der Welt. Nein, im Sinne von: es gibt keine Gedanken, die dieses reine Gefühl verfälschen. Bei meinem Mann könnte ich aufzählen, wieso ich ihn liebe. Ich sage paradoxe Sätze wie: ich liebe dich dafür, dass du mich liebst. Ich kann all seine Qualitäten aufzählen. Bei meiner großen Tochter, die immer noch klein ist, kann ich schon viel über ihren Charakter sagen und meine Begeisterung darüber äußern, kann sagen, dass dies Gründe sind, sie zu lieben. Aber die Kleine tut, was Kleine tun. Sie freut sich, mich zu sehen, aber nicht weil sie meinen Charakter schätzt. Meine Ratio wird kaum erklären können, wieso ich dieses Menschlein liebe. Das brachte mich zu der Annahme, dass Liebe im Grunde bedeutet: sich am Sein des Anderen zu erfreuen. Wie man sich an der Schönheit der Welt erfreut. An meinem Mann und den Kindern erfreue ich mich wie an einem schönen Garten. An meinen Geschwistern wie am Grant Canyon. Er ist nicht vor der Tür, aber ich weiß, es gibt ihn und die Welt ist schön, weil es ihn gibt. Die Liebe ist die Fähigkeit das Gegenüber in seiner wundersamsten und schönsten Form wahrzunehmen. Die Liebe macht mein Gegenüber zu einem Wunder, mit allen Ecken und Kanten. Oder im Falle eines Neugeborenen mit allen Potenzialen.

Liebe hat etwas mit der Seele zu tun. Wäre das nicht der Fall, gäbe es sicher nicht so viele Bücher und Filme darüber. Aber seit Anbeginn der Zeit ging es in den Geschichten um die Liebe. Seelen finden in der Liebe zusammen. Ich denke, es ist früh festgelegt, wen wir lieben werden und wen nicht. Die Seelen passen oder sie passen nicht. Für mich ist Freundschaft auch Liebe und es ist kaum möglich, befreundet zu sein, wenn es nicht passt. Womöglich existiert die Liebe, bevor wir den anderen treffen und wenn es passt, macht es klick, weil man sich erkennt. Liebe geht auch nicht wieder weg, weil sich Wege trennen. Wer einem mal etwas bedeutete hat, wird einem niemals ganz egal sein. Geschwister gehen auf die Beerdigung ihres Bruders, auch wenn es Jahrzehnte keinen Kontakt gab. Kinder auf die Beerdigung der Eltern, mit denen sie gebrochen haben. (Mir ist klar, ich generalisiere hier und sicher gibt es viele Gegenbeispiele.)

Ich liebe Geschichten, wie Ehepartner sich gefunden haben, Häufig sind es zufällige Begegnungen bei Tanzabenden, in Banken oder beim Einkaufen. Diese Geschichten der ersten Begegnungen sind voller Details, als hätte etwas in uns selbst gewusst, dass dieses Gesicht oder dieser Name etwas bedeutet. Als hätten Seelen sich erkannt. Ich würde gerne ein Buch voller erster Begegnungen schreiben mit all den Zufällen, denen es bedurfte, dass zwei Menschen sich finden, die dann fünfzig oder mehr Jahre zusammen sind.

Eure Kinder – Kahlil Gibran

Deine Kinder sind nicht Deine Kinder, 
sie sind die Söhne und Töchter 
der Sehnsucht des Lebens nach sich selbst. 
Sie kommen durch Dich, aber nicht von Dir, 
obwohl sie bei Dir sind, gehören sie Dir nicht. 
Du kannst ihnen Deine Liebe geben, aber nicht 
Deine Gedanken; denn sie haben ihre eigenen Gedanken. 
Du kannst ihrem Körper ein Heim geben, 
aber nicht ihrer Seele, denn ihre Seele wohnt im 
Haus von morgen, das Du nicht besuchen kannst, 
nicht einmal in Deinen Träumen. 
Du kannst versuchen, ihnen gleich zu sein, 
aber nicht, sie Dir gleich zu machen, 
denn das Leben geht nicht rückwärts 
und verweilt nicht beim Gestern. 
Du bist der Bogen, von dem Deine Kinder 
als lebende Pfeile ausgeschickt werden. 
Lass Deine Bogenrundung in der Hand 
des Schützen Freude bedeuten!

Routinen, Bäume und die Zeit

Derzeit schaffe ich mir Routinen. Sie sollen mir eine Korsett sein. Ich liebe Routinen. Es macht mich glücklich zu wissen, was ich morgen um sieben tun werde und was um neun, zu wissen, dass ich morgen zu ungefähr dieser Zeit ungefähr hier sitzen werde. Schon vor Corona und der Elternzeit glichen sich die Tage und die Arbeit in der Schule erfüllte mich auch mit Freude, weil Montage immer gleich sind. Es entspannt so sehr, wenn nicht immer neu entschieden werden muss, wie sich die Tage gestalten. Mit den Kindern bekam es noch strengere Formen. Die Tage werden durch die Mahlzeiten strukturiert und die Mahlzeiten sind auf Uhrzeiten festgelegt.

Wir machten heute also unseren in die Routinen festgelegten Spaziergang in der von Routine festgelegten Route. Es ist ein Herbsttag, nicht so warm wie gestern. Gestern kamen Frühlingsgefühle und Erinnerungen auf, weil es zu warm war, nach Frühling roch und wir an blühenden Rosen und knospenden Bäumen vorbeikamen. Heute war es frisch. Die Kinder waren warm eingepackt. Ich auch – einigermaßen. Mir fiel auf, dass ich auch den Herbst mag. Der Herbst ist für mich eine Jahreszeit, die stark mit meiner Kindheit verbunden ist. Als wir Kinder waren lebten wir in einem Haus mit großem Garten. In diesem Garten stand ein Nussbaum, dessen herabgefallenen Blätter im Herbst vermoderten. Der Geruch nach vermodernden Nussbaumlaub macht mich direkt wieder zehn. Wir spielten, dass der Winter heraufzieht und wir Vorräte anlegen müssen. Dazu sammelten wir Nüsse und pflücken Äpfel, legten es in unser Baumhaus und kamen uns wild und gut vorbereitete vor. Als Kind erlebte ich Jahreszeiten viel näher als nun. Nun scheint jede Jahreszeit ihre Ärgernisse mit sich zu bringen (Schnee, der geschippt werden muss. Dunkelheit, die deprimiert. Erwachender Frühling – der mit Hecke schneiden im Vorgarten einher geht u.s.w.) Als Kind erlebte ich jede Jahreszeit mit Staunen. Mich faszinierten die kurzen Tage im Winter im Vergleich zu den langen im Sommer. Ich konnte es nicht glauben, dass ich im Juli im T-Shirt herumlief und im Winter in der warmen Jacke fror. Nun sind Jahreszeiten leider nicht mehr das, was sie mal waren, Klimawandel und so, aber ich glaube, ich bin auch abfgestumpft. Oder liegt es daran, dass ich nun in der Stadt lebe? Mit meiner Schulklasse war ich jeden Tag im Wald und ich glaube mit den Kindern habe ich die wundersame Wandlung der Natur über das Jahr wahrgenommen.

Heute stand ich auf dem golden-braunen Spielplatz und erinnerte mich voller Staunen, dass ich vor wenigen Wochen dort saß und das Kind im Kinderwagen noch in meinem Bauch war. Es ist nicht lange her, da war es so heiß, dass ich Wasser für die Große und mich dabei hatte. Auch da trug ich schon eine Kugel vor mich her. Da dachte ich, man sollte Schwangerschaftsbilder nicht drinnen machen, sondern draußen, unter einem Baum. Der Wandel der Schwangerschaft von dem kleinen Leinsamen bis zu der großen Kugel und dann bis zum Baby wäre sicher eindrucksvoll neben den Bäumen, die ihren zuverlässigen Rhythmus haben. Ihre Routine könnte man fast sagen, um den Bogen zum Anfang zu spannen.

Orte sind unbeeindruckt von der Zeit. Der Spielplatz liegt da, wie er vor Monaten da lag. Das Kleid hat sich gewandelt, aber er ist geblieben. Mein Leben ändert sich, manchmal schneller als ich es verarbeiten kann. Das fasziniert mich auch an Häusern. Sie stehen ein Leben lang und dann noch eines und noch eines. Die Menschen ziehen ein und aus, ein Menschenleben bedeutete einem Haus wenig. Gehe ich durch das Dorf meiner Kindheit sind die jungen Eltern meiner Kindheit alt geworden, sind Großeltern geworden, die Großeltern von damals sind womöglich gestorben. Aber die Häuser stehen, wie in meiner Kindheit und es fühlt sich an, als könnte ich hier und dort klingeln und mir würden Kinder öffnen und ihre Eltern, die damals vielleicht so alt waren, wie wir jetzt. An der Uni suche ich bekannte Gesichter, weil ich zwar weiß, dass jeder, der mit mir studiert hat, nun fertig ist, aber der Ort wirkt so zeitlos, dass ich das vergesse. Einer Uni bedeutet die Studienzeit nichts.

Kinder sind das Gegenteil von Häusern. Kinder ändern sich von Tag zu Tag und anderthalb Jahre sind sehr viel Zeit in einem Kindergesicht.

Wie passend ist es daher ein Kind neben einem Baum zu fotografieren. Kaum etwas ist so gegensätzlich wie die stille, atmende Ewigkeit und der rasende Wandel.

Zwei Filme, die ich sehr mag

Ich liebe diesen Film. Entschuldigung. Ich muss so direkt anfangen. Handlung zusammen zu fassen erscheint angesichts dieses mittelmäßigen Trailer überflüssig. Es steckt ja bereits alles drin. Grade höre ich den Soundtrack und da fiel es mir wieder ein: ich liebe diesen Film. Ich finde, wenn man ihn gesehen hat, muss man das Leben und doppelt und dreifach genießen. Mich stört es nicht, dass nie erklärt wird, wieso die Männer dieser Familie durch die Zeit reisen können. Es gibt auch einige Logik-Lücken und es ändert nichts. Ich liebe diesen Film und jedes Mal wenn ich ihn gesehen habe, liebe ich das Leben.

Wenn ich schon dabei bin, auch dieser Film gehört zu meinen Feel-Good-Filmen. Das Happy-End am Schluss kommt ziemlich überraschend, aber bis dahin passierten einige schöne. ernste, skurrile Sachen.

Vielleicht gibt es irgendwann wirkliche Filmkritiken. Heute nicht. Heute gibt es schlichte Sätze, wie: Ich liebe diese Filme. Sie kommen mir beide englisch vor. Man lacht, man weint und man begegnet skurrilen Gestalten.

Freiräume schaffen – Selbstfürsorge

Es ist nicht einfach, sich Zeit für sich zu nehmen, wenn man das Gefühl hat, dass die Hütte brennt. – sagt man das so? Gefühlt brennt die Hütte ständig. Entweder ist es der Haushalt oder die Kinder. Zum Glück arbeite ich derzeit nicht, denn als Lehrer hat man auch To-Do-Listen, die praktisch nie enden wollen. Vor den Kindern habe ich mir fast nie Zeit für mich genommen. Jedenfalls anders als jetzt. Als das erste Kind da war, habe ich das auch nicht getan. Das führte zu emotionalen Zuständen, die ich nicht gut fand. Erst diese emotionalen Tiefs und die Versuche, heraus zu finden, was das Problem sein könnte, führte zu dem Versuch, mir Zeit für mich zu nehmen. Es war aber die Erwartung des zweiten Kindes, es war die Adventszeit im Vorfeld – voller Erwartung und Ruhe – die mir vor Augen führte, wie viel es helfen kann, am Tag eine halbe oder gar ganze Stunde für sich zu haben. Nun arbeiten wir daran, dass jeder jeden Tag eine halbe Stunde für sich hat. Es ist so heilsam. Ich bin geduldiger mit den Kindern und nachsichtiger mit mir. Dann kommen Tage, die sind so voller To-Do’s, dass es nicht passt. Aber dann gibt es wieder Tage wie heute, in denen die Hütte brennt und sich trotzdem Freiräume ergeben.

An dieser Stelle ein Hoch auf die Väter der jetzigen Generation. Mein Mann schaut fast mehr als ich, dass ich Freiräume habe. Meine Mutter konnte vermutlich von diesen halben bis ganzen Stunden nur träumen.

Ich bin so dankbar, dass ich durch die Kinder diese Selbstfürsorge gelernt habe. Nicht nur schaue ich besser hin, was ich brauche, sondern ich kommuniziere es klarer. Ich sage: Ich brauche Zeit für mich! Ich hoffe, dass sich das etabliert und bleibt. Ich hoffe, dass diese Selbstfürsorge ein fester Bestandteil meines Lebens wird. Eigentlich sollte es keiner Kinder bedürfen, keiner emotionalen Tieffahrten, um zu lernen, dass es einem gut tut, nach sich selbst zu schauen.

Ein Beitrag, den ich nicht schreiben wollte

Ich wollte möglichst wenig|keine Beiträge über den Alltag mit Kindern schreiben. Gleichzeitig wollte ich möglichst regelmäßig etwas schreiben. Meiner Seele tut das gut. Vielleicht wollte ich mir vor Augen führen, dass ich ein Leben neben den Kindern habe. Aber bereits heute morgen begann ich hektisch darüber nachzudenken, worüber ich heute Abend in der halben Stunde schreiben könnte. Aber das Beste, das mir einfiel, war die Frage, was ich in den nun fast 2 Jahren Elternzeit alles gemacht habe, für welche Themen ich mich so interessiert habe. Da gab es einiges. Phasenweise beginne ich fast fanatisch Bücher über gewisse Themen (Mikroplastik, Kochen, Montessori-Pädagogik, Aufräumen) zu lesen. Dann referiere ich unablässig darüber, bis diese Phase wieder vorüber ist. Für meinen Mann war die Phase, in der jeder Satz mit „Marie Konto sagt aber…“ vermutlich am schwierigsten. Womöglich weil sich an diese Sätze meistens die Aufforderung anschloss dieses oder jenes weg zu werfen. – Ja dachte ich. Darüber ließe sich schreiben, aber mit der Elternzeit ist es nahe an dem Kinder-Thema. Außerdem treibt mich grade weder Maria Montessori noch Marie Konto herum, sondern das Thema Selbstfürsorge, das aber ist ganz nahe mit den Kindern verknüpft. Ich habe Podcasts entdeckt und höre anderen Mamas dabei zu, wie sie davon berichten, wie sie Mamas in Kursen dazu raten, besser auf sich zu achten. Mehr Mama-Thema geht ja wohl kaum. Aber darüber will ich ja nicht schreiben. Also denke ich darüber nach, ob es andere Bücher gibt, die lese oder höre, Filme die ich schaue oder tiefsinnige Gedanken, die ich mir mache. Fehlanzeige. Momentan schauen wir wirklich schlechte Liebeskomödien. Als frischgebackene Mama regt mich vieles schnell auf. Außerdem liegt die Kleine immer bei uns. Über diese Filme aber, die weder mich noch das Kind aufzuregen, möchte ich ganz bestimmt nichts schreiben. Manchmal habe ich am nächsten Morgen schon vergessen, was wir am Vorabend geschaut haben. Irgendwann triften sie sie alle in furchtbaren Kitsch. (Der Film von gestern ist da vielleicht eine Ausnahme, aber das fällt mir erst jetzt ein. Er war aber auch weder Komödie noch ein echter Liebesfilm. Wir haben uns da vertan.) Filme geht also nicht. ( Wir versuchen seit geraumer Zeit die Herr-der-Ringe-Trilogie zu schauen, darüber schreibe ich aber bestimmt nichts. Zu viele mit mehr Schreiber-Talent haben in den letzen Jahren sicher alles dazu gesagt, was es zu sagen gibt. Und ja. Auch diese Filme regen mich auf. Wir haben sie mittags in Etappen geschaut. Bis in den dritten Teil sind wir bisher gekommen. Ziel: Bis Silvester alles zu schaffen. ) Bücher? Ich höre einen Roman über das Leben von Marie Montessori. Interessant, nicht so schlecht geschrieben, wie ich zu erst dachte, aber keine Glanzleistung, die mich bisher inspiriert hat. Irgendjemand schreibe über dieses Buch, es sei ganz gut, nur gehe es ständig ums Essen. Dem kann ich zustimmen. Die Frage: Isst sie das Nougat oder isst sie es nicht, war einer der dramatischen Höhepunkte.

Gut, dachte ich, vielleicht schreibe ich doch über das Buch. Vielleicht auch über Corona, wobei ich nicht weiß, was es darüber noch zu sagen gibt. Mir wird schon etwas einfallen. Das war heute morgen.

Mittags war ich mit beiden Kindern Windeln kaufen und meine Große bekam ihren ersten Wutanfall im Supermarkt. Mit Schreien, auf den Boden werfen, das volle Programm. Es kommt mir jetzt mit zeitlichem und räumlichen Abstand wie ein böser Traum vor. Zur Verarbeitung dieses Ereignisses habe ich, das soll man nach Traumata ja machen, es möglichst vielen Menschen erzählt.

Ich dachte an all die Mütter, über die ich womöglich, als ich noch kinderlos war, geurteilt habe, als sie in ähnlichen Situationen waren. Ich dachte an die verschiedenen Herangehensweisen an solche Situationen in der jetzigen Generation und der vorherigen. An all die Bücher über bedürfnisorintierter Erziehung, die ich gehört habe, dachte ich und dass ich so fassungslos über dieses Ereignis war, dass ich fast so etwas wie gute Laune hatte. Aber darüber will ich ja nicht schreiben.

Womöglich ist das aber die Erkenntnis dieses Tages – neben der Erkenntnis, dass auch das kooperierendste Kind einen Wutanfall bekommen kann – wer Kinder hat, hat es schwer so zu tun, als hätte er keine. Auch wenn es nur darum geht, am Abend eine halbe Stunde lang einen Beitrag zu schreiben, der nichts mit Kindern zu tun hat.

Was ich grade höre – Erich Kästner „Drei Männer im Schnee“

Als Kind habe ich den Film gesehen, als Jugendliche das Buch entdeckt und gelesen, nun gibt es ein Hörbuch und seit einem Monat höre ich es rauf und runter.

Der Millionär Tobler ( im Film heißt er Schlüter) möchte als armer Mann verkleidet in einem noblen Hotel gastieren, um die „Menschen kennen zu lernen“. Seine Tochter, besorgt um ihren Vater, informiert das Hotel. Als nun ein echter armer Mann im Hotel wohnen möchte, wird er irrtümlich für den Millionär gehalten, der Millionär aber für einen echten armen Mann. Die Verwechslungskomödie kann beginnen. Die beiden Männer lernen sich kennen und werden gute Freunde. Der dritte Mann ist Johann, der Diener des „ollen Tobler“, der als angeblicher Besitzer einer Schifffahrtslinie, mitgefahren ist, um ein Auge auf seinen Arbeitgeber zu haben und heimlich dessen Kabuff, was sich Zimmer schimpft, aufräumt, wenn er nicht grade die Tochter informiert, was sich wieder ereignet hat oder Ski-Unterricht nimmt.

Es ist eine Geschichte voller Klischees. Keiner bricht mit seiner Rolle. Der Diener möchte nur Diener sein. Der junge, arme Mann Fritz ist anständig und talentiert, Opfer der Umstände, die ihn zwingen, seiner Mutter beim Aufessen ihrer kleinen Rente zu helfen. Man kennt diesen Typ Mann aus gefühlt jeder Unterhaltungskomödie. Der olle Tobler ist ein lebensfroher Kerl, ein großes Kind, der von dem Personal und seiner Tochter aufs innigste geliebt wird.

Aber dieses Schablonenhaftigkeit der Figuren tut dem Ganzen keinen Abbruch. Es ist leichte Lektüre, die durch liebenswerte Situationen und wunderbare Dialoge gewinnt. Ich bewundere Kästner für seine kurzen Sätze, die alles sagen. Es ließe sich noch etwas über Passagen schreiben, die er sich hätte sparen können, weil verliebtes Geturtel nicht zu seinen Stärken zählt, über Kommentare, die von männlichem Chauvinismus zeugen und der Darstellung der Mutter von Fritz. Sicher ließe sich auch über die zeitliche Einordnung und dem Theaterstück zu dem Roman referieren. Dazu fehlt mir leider die Zeit.

Es soll also bei einer kurzen Empfehlung bleiben. Wer leichte aber gute Literatur sucht, bei der sich schmunzeln lässt, dem sei Kästners „Drei Männer im Schnee“ nahegelegt. Sowohl Film, als auch Buch, als auch Hörbuch, können erfreuen.

Was sich ändert – ein MutterBlogBeitrag

Eine liebe Freundin fragte mich bei einem Kaffee, was sich alles verändert hätte, seit ich Mutter sei. Meine erste Reaktion wäre gewesen, dass sich nichts geändert habe. Aber dann habe ich etwas sehr Kluges getan, was ich öfter tun sollte, bevor ich etwas sage, ich habe nachgedacht. Ehrlich gesagt hat sich wirklich viel geändert.

Zum Beispiel ist es relativ normal, erst mal sämtliche Bilderbücher aus dem Bett zu räumen, bevor man sich hineinlegt. Wenn sich dann nachts doch ein quietschendes Küken findet oder ein blauer Elefant ungefragt seinen Rüssel in mein Gesicht drückt, wundert mich das nicht. Es ist kaum einer Geschichte wert.

Kinderbücher nehmen sowieso eine große Rolle in meinem Leben ein. Früher memorierte ich Shakespeare-Texte oder Gedichte, die mir gefielen. Ich zitierte Goethe oder wünschte mir, Rilke zitieren zu können. Heute sind es solche Dinge wie „Laterne, Laterne, Lieselotte“, Lieselotte ist eine Kuh und wir haben gefühlt dem Autor dieser Kuh-Lieselotte-Bücher bereits mehrere Mahlzeiten finanziert.

Die wirklich großen Themen des Tages befassen sich häufig mit dem Essverhalten der Kinder oder dem Pupsen. Kinder ziehen einen auf die basalsten Themen zurück. Mit einem Säugling im Haus ist auch Schlafen wieder Thema.

Das sind so die üblichen Themen des Außens und sicher gibt es da noch mehr. Zum Beispiel hat meine Tochter grade den Tick ihre Haferflocken lieber auf den Boden zu werfen als sie zu essen. Dementsprechend sieht unser Küchen-Fußboden aus. Ich werde gelassener, was den Dreck auf dem Boden aussieht. Nicht selten dekoriert sie den Inhalt der Schränke in dieses Meer aus Haferflocken und bestreut alles mit Nudeln.

Klopapierrollen findet sich selten an dem vorgesehenen Platz, sondern sind irgendwo versteckt, wo sie die Rolle unmöglich abrollen kann. Überall findet sich Kinderspielzeug und unsere Möbel haben Kratzer, weil die Große ihren Puppenwagen als Rammbock benutzt hat. Alle Treppen und einige Türen sind mit Türchen gesichert. Aufgrund der Bauweise unseres Hauses hat fast jede Tür einen eigenen, meist improvisierten Verschließmechanismus. Einer besteht darin, ein großes aufpustbares Reiter mit der Nase in das Gelände zu klemmen, während der Po die Sicherungstür blockiert. Duschen ohne dass ein Kind, das nackt sehr wasserscheu ist, angezogen unter die Dusche klettert, ist ein Geschenk. Auf Toilette gehen übrigens auch. Ausschlafen wurde umdefiniert: erst nach sechs geweckt werden. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich zuletzt wirklich so lange geschlafen habe, dass ich ganz wach war. Deshalb enden unsere Tage sehr früh. Als ein Postbote um halb sieben kam, waren wir empört, dass es jemand wagt, tief in der Nacht zu klingeln.

Das alles ist im Außen. Was ändert sich im Inneren?

Selbstfürsorge ist ein ganz neues Thema und hat eine neue Brisanz. Ich glaube nicht, dass ich mich zuvor jemals so bewusst darum gekümmert habe, heraus zu finden, was mir gut tut. Dabei habe ich es mit Meditieren und sogar mit Sport versucht. Zuletzt habe ich einige Leinwände bemalt. Die Wände sind voll, die Leinwände stapeln sich.

Zeit ist eine ganz neue Währung. Habe ich eine Stunde für mich, vertrödle ich weniger Zeit auf YouTube. Dann überlege ich gezielt, was ich machen möchte und mache das dann. Kopfschüttelnd denke ich daran, wie viel Zeit ich als Student einfach verplempert habe.

Die eigene Kindheit, die eigene Beziehung zu den Eltern und das Selbstbild steht nochmals auf dem Prüfstand und wird neu beleuchtet.

Geschichten schreiben sich um. War die Geschichte der Geschwister Scholl die Geschichte zweier mutiger Studenten wird sie nun für mich zu der Geschichte von Eltern, die ihre Kinder verloren haben.

Filme, in denen Kinder sterben, werden unerträglich zu schauen. Das gilt schockierender Weise auch für Filme, in denen kleine T-Rex-Kinder verletzt werden, damit sie ihre Mutter rufen und ein Großwildjäger den großen T-Rex erlegen kann.

Die Zukunft gewinnt an Bedeutung, weil es die Zukunft meiner Kinder ist.

Die Metamorphose unseres Hauses ist womöglich nichts im Vergleich zu der in mir. Vermutlich habe ich sehr vieles vergessen, denn immer wieder staune ich über einen Moment, denke: stimmt, das war früher auch Anderes und freue mich. Das letzte Mal hat sich womöglich mit dem Auszug von zuhause so viel getan und doch fühlt sich dieses hier grade bedeutender an. Als würde ich mir und der Welt neu begegnen und müsse herausfinden, wer ich bin und was die Welt mir bedeutet.

Kleine Ausstellung – immer noch Kate

Hallo alter Freund. Man kennt dieses Phänomen manchmal aus dem Freundeskreis. Man hört nur voneinander, wenn Not am Mann ist. Hört man nichts, geht es allen gut. Fragwürdig, der Versuch, sich selbst im Internet zu finden. Ein Tagebuch täte es womöglich auch. Aber nun tippe ich hier. Mit dem Ziel, das wieder öfter zu tun.

Ich sträube mich dagegen, mich selbst als Mutter zu betiteln. Ich habe zwei Kinder. Daher bin ich wohl Mutter. Es erscheint mir unglaubwürdig, dass diese zwei Menschen in mir herangewachsen sind. Und das, obwohl das zweite vor einem Monat noch Morsezeichen von innen klopfte. Aber dieser Unglaube über dieses Entstehen in mir ist nicht der Grund, wieso ich mich in erster Linie nicht als Mutter bezeichnen würde. Ich habe zwei Kinder, aber ich bin Kate. Nun ist es lange her, dass ich wirklich Kate war. Dieses Mutter-Sein, vor dem man sich, wenn die Kinder erst mal da sind, weder verstecken kann noch will, scheint Kate auf Eis gelegt zu haben. Dunkel erinnere ich mich daran, dass ich mal für Shakespeare schwärmte, ungewöhnliche Filme geschaut und besondere Bücher gelesen habe, dass ich diesen Blog und anderes geschrieben habe. Es gab eine Zeit, da war ich Lehrerin. Es gab auch Zeiten mit dem Theater. Das gab es. Geblieben ist…. viel Liebe für diese kleinen Wesen. Viel Lachen über die Verrücktheiten, viel Sorge vor dem was kommen kann. Man könnte sagen, die Freuden und Leiden des Mutter-Seins.

Ich will nichts ändern. Ich hätte nur gerne wieder mehr Kate in meinem Leben. Also dachte ich, gebe ich mir Mühe wieder mehr ich zu sein. Das eine Problem sind die zuverlässig geöffneten Zeitfenster. Es gibt sie praktisch nicht, außer mein Mann hält mir, wie jetzt, den Rücken frei. Das andere Problem ist, das man ja häufig nur der ist, als der man auch wahrgenommen wird. Viel habe ich über Schule gelesen, aber es gab keinen Austausch. Mit wem auch? Was dieses Mutter-Sein nicht an Rollen eingefroren hat, hat Corona nun ausgesperrt. Kontakte sind rar. Häufig sind es Mütter. Mit Müttern spricht man über Kinder. (Korrektur: häufig sind es Frauen, die auch Kinder haben.) Daher ist dieser Blog womöglich doch eine bessere Wahl der Selbstfindung als das Tagebuch. Tagebücher sind wie einsame Monologe in dunklen Zimmern. (Was wirklich schön sein kann.) Der Blog aber ist wie eine kleine Ausstellung in einer Hintergasse, irgendwo zwischen China-Restaurants und kleinen Ateliers. Vielleicht schaffe ich es nun häufiger hierher.